Fassung *Gö
Kapitel 18

18. Die Geburt Jesu (Mt 1,18-25)A118. Die Geburt Jesu (Mt 1,18-25)] Überlieferung: Gö 18va43-19vb13

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1[Gö, 18va]Nu sullen wir aber das ewangely an greyffen, da wir es liessen, und merckhent, [18vb] da unser fraw von yr niftelA1niftel] nistel Elisabethen wider haym zu hawse cham, da was sy nü emphestetA2emphestet ‘verlobt’, vgl. MWB 1, Sp. 1734, s. v. entvestenenentvestenen ainem raynen alten, der was genant Joseph. 2Da von spricht das ewangely also: A3Mt 1,18 'Cum esset desponsata mater Ihesu Maria Joseph' , Mathei primo:

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A32.2–7 Mt 1,18-25 1BMt 1,18'DoA1Do] grüne Initiale über drei Zeilen mit roter und blauer Rankenverzierung, marginal Kapitelzählung: xviij Maria, Jhesus muter, emphestentA2emphestent ‘verlobt’, vgl. MWB 1, Sp. 1734, s. v. entvestenenentvestenen was Josephen, eeA1ee] e K2, ye das sie ze samen chamen, da wart sie funden, das sie yn yrm leib het von dem heiligen geiste. 2BMt 1,19Nu was Joseph, yr wirt, ain gerechter man und wolt seyA2sey = sie nicht ze rede pringenA2ze rede pringen ‘der Nachrede/Schmähung aussetzen’ und wolt sey haymleich lassen. 3BMt 1,20Und da er ym des gedachte, secht, da erschain ym gotes engel ym slaff und sprach zu ym: "Joseph, Davids sun, furcht dir nicht ze nemenA1nemen] nemen K2, nem̅ Marien dein kanen, wann das yn yr geporn ist, das ist von dem heiligen geiste. 4BMt 1,21Sie gepert ainen sun, des namen wirdest du haissen Jhesum, wann er wirdet hail machen sein volkh von yrn sunden." 5BMt 1,22Das ist alles geschehen, das erfullet wurde, das von unserm herren mit den weyssagen gesprochen ist: 6BMt 1,23A3Is 7,14"Also nempt war, ain maget emphecht yn yrn leibe und gepert ainen sun, und sein name wirdet gehaissen Emanuel, das bedewt 'got mit uns'." 7BMt 1,24Da stund Joseph auff von dem slaff und tet, als ym unsers herrn engel gepoten het, und nam sein chanen, sand Marien, zu sich BMt 1,25und erkant yr nicht, untz das yr erst geporn son geporn wart, und nante seyn namen Jhesum.'

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1Glos: 'JesusA1Jesus] rote Initiale über drei Zeilen mit schwarzer Rankenverzierung ' bedewt 'hailant', A3vgl. Mt 1,21wan er sein volkh hailen wirdet von yrn [19ra] sunden, also spricht das ewangely. 2Nu, wer ist sein volkh? 3Das sind die an yn gelaubent, das er des lemptigenA2lemptigen = lëbendigen gotes sun ist, und sych von sunden kern und püzzen. 4Unser frawe sand Maria ward nicht an sachA2an sach = an̂e sach ‘ohne Grund’, vgl. Lexer 2, Sp. 564, s. v. sachesache Josephen emphestentA2emphestent ‘verlobt’, vgl. MWB 1, Sp. 1734, s. v. entvestenenentvestenen . 5Zum ersten, dasA2Zum ersten, das ‘Sondern erstens, damit’ sie mit troste und mit raynichait von ym besehen wurde. 6Zum andern mal, das sie von den valschen juden archkwans ubrig wirdeA2ubrig wirde ‘frei werde’.7Zum drytten mal, das yr heilige gepurde dem teufel verholn wurde. 8Wann das er des lemptigenA2lemptigen = lëbendigen gotes sun was und ist, das kunden die teufel nicht erchennen, untz er erstund von dem tod und die helle prach. 9Wer fragt, war umb Joseph sand Marien wolte lassen und von yr schaiden und doch nicht west, das sie missetan hete, da spricht man also: Das tet er dar umb, das er nicht gar siecherA2siecher ‘sicher’ was yn seinem hertzen yr unschulde und doch mitA1mit] mit K2, yr warhait nicht weste. 10Da von woltA2wolt ‘bevorzugte’ er den myttern weg, das er seyA2sey = sie lassen wolt, wann sie swanger was, und wolt sy nicht ze rede pringen, wann sy was heilig. 11Man fragt auch, ob Joseph unser frawn sand Marien hiet ze rede pracht, ob er recht dar an hiet getan. 12Sprechent weysse lewt, es ist pesser, das umb gewysse sach ain schuldiger mensch hyn chome, dan das ain unschuldiger mensch verderbet wurde. 13Wenn ain schuldiger mensch ains hyn chumpt, der mag sych bessern und bekern oder er tüt aber ain anders, dar umb er getodt wirdet. 14Ist aber, das ain unschuldiger mensch ains getot wirdet, [19rb] der kumpt her wider zu dem leben nicht mer. 15So sprichet Origenes. 16Joseph wolt unser frawn dar umb lassen und yr nicht helfen, das er sich unwirdig daügtA2daügt = dunkt ‘dünkte, vorkam’, vgl. MWB 1, Sp. 1394, s. v. dunkendunken ainr so hohen frawn, die von dem heiligen geist enphangen hett. 17Man fragt auch dar umb, war umb der engel Josephen erschain yn dem schlaffe und nicht wachund als den herternA2hertern ‘Hirten’, vgl. Lexer 1, Sp. 1264, s. v. hërtærehërtære oder alls Zacharie, sand Johannen vater, oder als sand Marien. 18Das ist darümb, das Joseph vests und starchs gelaubes was, da von bedorfte er offner gesicht des engels nicht. 19So warn die herten als raühe lewt, so was Zacharias ungelaubehaft, so bedarft unser fraw, das sy antwort gab und yr hertz und yrn synn mit rede ertzaigte - das must alles wachund geschehen. 20Auch mag man Josephs schlaff versten, da ym der engel ynne erschayne, das er als halben wegA2als halben weg ‘zur Hälfte, halb’ gewachet hab. 21Wann, so ain mensch mit trawrichait bevangen ist und mit swern gedanchken betwüngen, so leit er oft, als erA2als er ‘als ob er’ slaff, und wachet doch mer dann halben weg. 22Man fraget auch, seit sand Maria Josephen nür emphestentA2emphestent ‘verlobt’, vgl. MWB 1, Sp. 1734, s. v. entvestenenentvestenen was, war umb man sy dan haisse 'sein kanen'. 23Da antwortet man also uber, wann kanschaft haisset und ist ain enphestung von der krafft und von den trewn der wort und des gemüts als von den werchken.

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1Unser herre haisset dar umb unser frawn erstgeporn sun, wann vor yr und nach yr nye kayn maget kind gepar nachA2nach = noch gepert, wann sy allain. 2Da von ist er der raynen maget erstgeporn sun. 3Er haysset [19va] 'Emanuel', das spricht 'got mit uns', wann er mit uns ist, dazA2daz ‘als’ er mensch wurden ist. 4Er ist mit uns, wann er auf der werlt leypleich mit den lewten gewonet hat und doch seinen heiligen leychnam uns geit. 5Den namen mocht Ysayas der weyssag nicht erkennen und manig ander heiliger vater, wann das Ysaias sprach: 6A3 Ier [!] 23,6'Sie werden yn nennen "unser rechter herr".' 7Jesus ist unser herr von seinem gewalt, wanne er die gevangen knecht nam aus der helle panden mit seinem gotleichem gewalte. 8Jesus Cristus ist unser herr von seinen gnaden, wann er seins vater zorn senftet und stillet mit seynen gotleichen gnaden.

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1Chanleich und eleiche emphestungA2Chanleich und eleiche emphestung ‘Eheliche und gesetzmäßige Verlobung’ geschach yn der alten ee etleich tag vor ee dasA2etleich tag vor ee das ‘einige Zeit bevor’ die kanlewtA2kanlewt = koneliute ‘Eheleute’, vgl. Lexer 1, Sp. 1673 → koneliute mit wanungA2wanung = wonung ze samen kamen, und die weyl het der wirt die kane yn seinr phlege und hüete. 2Das ist, das er an dem ewangely sprichet: A3Mt 1,18'Ee das sye ze samen kamen', wan ee das Joseph unser frawn het gevessentA2gevessent = gevestet ‘geheiratet’, vgl. Lexer 3, Sp. 328, s. v. vestenvesten , da was sy nü swanger von dem heiligen geyste. 3Unser frawe ward Josephen dar umb enphessent, das er gezeüg war yr raynichait und seyA2sey = sie vor unlewnt beredteA2vor unlewnt beredte ‘vor einem schlechten Ruf bewahrte’ und das auch dem teufel unsers herren gepurd verholn wurd. 4Joseph haisset A3vgl. Mt 1,19'der gerechte' und durch sein rayne gerechtichait ward ym unser fraw durch huete emphessentA1emphessent] davor getilgt erp A2durch huete emphessent ‘verlobt, damit er sie in seine Obhut nehme’. 5Joseph haisset pylleich A3vgl. Mt 1,19 'der man' und unser frawe A3Mt 1,20'die kane', wan an yn paiden was gantzer wil der lieb und trewn; wa das [19vb] ist, da ist zwarA2zwar ‘wahrlich’, vgl. BMZ 3, Sp. 518b, s. v. wârwâr kanschaft. 6Auch was an unser frawn kanliche frücht anA2an = âne alle sund, sunderA2sunder ‘sondern (die eheliche Frucht kam)’ von dem hailigen geyst. 7Es sprichet an dem ewangely A3Mt 1,25 'Joseph erkant unser fraw nicht, untz das sie yrn erstengeporn sun gepar'. 8Er kant yr nicht, wann man liest, das er yr antlitz nicht mocht envollen an gesehen, die weil sie unsern herren trüg, untz das sy yn gepare.